Die Reisestrecke führt uns die landschaftlich schöne Uferstraße an der
Oder von
Osinów Dolny (Niederwutzen) nach
Gozdowice (Güstebiese) zwischen der Oder und dem Naturpark Odertal entlang.
Von Deutschland kommend überqueren wir die Grenze in Hohenwutzen /
Osinów Dolny (Niederwutzen), lassen links
das sogenannte "Odercenter Berlin" liegen. Wer möchte, kann hier natürlich noch einmal den Tank
seines Fahrzeuges füllen oder den Markt besuchen.
Straßenszene an der Oder
Gleich nach Passieren des Odercenters geht eine Straßenkreuzung nach rechts Richtung
Dębno (Neudamm/Nm.) ab,
wem das Entziffern der polnischen Beschriftung zu kompliziert ist, achte auf das Schild mit dem
Fährschiff. Von hier an führt uns eine wenig befahrene, aber in
recht gutem Zustand befindliche Uferstraße in südlicher Richtung.
Man fahre nicht so schnell, so daß man den herrlichen Blick über die Oder genießen kann, der sich
in Fahrtrichtung rechts bietet. Störche, die Auslaufgebiete der Oder, ein Anblick, wie man ihn sonst
z.B. vom Donaudelta am Schwarzen Meer kennt.
Die Fahrt geht durch etliche kleine Dörfer, die noch auf ihr Erwachen aus dem Dornröschenschlaf warten,
in dem sie sich seit dem Krieg befinden. Aber keine Sorge: der beginnende Tourismus hier zeigt erste
Folgen und so mancher Einwohner denkt über die Eröffnung einer Pension oder eines Gasthauses nach (erste
Bauarbeiten sind im Gange). Es wäre ja auch unvorstellbar, eine solche landschaftliche Schönheit ungenutzt
zu lassen. Die weggefallenen Grenzkontrollen prädestinieren das Gebiet für einen Tagesausflug aus Berlin
und Umland geradezu.
Wunderschöne Rastplätze...
Mehrere Möglichkeiten für Rast und Picknick bieten sich auf landschaftlich sehr schön gelegenen Parkplätzen
entlang der Route.
Vor dem Dorf
Siekierki (Zäckerick) befindet sich ein Denkmal und eine Kriegsgräberstätte. Das Denkmal in
Form eines polnischen Panzers Typ IS-2 russischer Produktion erinnert an die hier stattgefundenen Kämpfe im 2.
Weltkrieg. Auf dem nahebei gelegenen Friedhof befinden sich die Gräber von etwa. 2000 an der
Oder gefallenen polnischen und
sowjetischen Soldaten. Das Denkmal auf dem Friedhof ist ein Werk des polnischen Bildhauers Slawomir Lewinski, der
auch das Denkmal auf dem Marktplatz in
Mieszkowice (Bärwalde/Nm.) geschaffen hat. Gleich am Panzerdenkmal befindet sich ein
kleines Militärmuseum.
Restaurant "Nad Odrą"
Die Straße führt uns weiter nach
Stare Łysogórki (Alt-Lietzegöricke), wo sich ein Einkehr im in der Dorfmitte
gelegenen Restaurant "Nad Odrą" (Flachbau mit großem Schild "Restauracija") empfiehlt. Das Gebäude samt
Interieur versprüht zwar den Charme der frühen siebziger Jahre, aber das Essen ist wirklich eine Empfehlung
wert. Der Familienbetrieb liefert frische Zubereitung und perfekte ländliche Kochkunst und bei zahlreichen
Besuchen wurden wir nicht enttäuscht.
Die Preise sind landesüblich überaus günstig. Die Bestellung wird durch eine deutschsprachige
Karte erleichtert, Bezahlung mit Euro ist möglich. In Stary Lysogorki gibt es auch eine Pension der Kategorie "Agroturyst" (vergleichbar
mit "Ferien auf dem Bauernhof").
Aussichtspunkt "Bunker"
Kurz vor dem Ort
Gozdowice (Güstebiese) sollte der nächste Halt am in Fahrtrichtung rechts gelegenen Parkplatz
erfolgen. Hinter einem weiteren Denkmal für polnische Soldaten des 2. Weltkrieges sollte man auf dem Waldparkplatz
anhalten und einige Schritte in Richtung Oder gehen. Diese führen zu einer Anhöhe mit einem schönen Aussichtspunkt, von der man einen herrlichen
Blick über das Odertal weit nach Deutschland hinein hat.
An dieser Stelle befindet sich auch ein Bunker, der besichtigt werden kann. Von dem hier befindlichen Unterstand
aus wurde die Überquerung der Oder durch die polnischen und sowjetischen Truppen im 2. Weltkrieg kommandiert,
der heutige Bunker ist allerdings ein Nachbau.
Wir fahren nun weiter in südlicher Richtung und halten im Ort
Gozdowice (Güstebiese).
Güstebiese spielte eine besondere Rolle bei der Trockenlegung des Oderbruches, von hier aus wurde ein neuer begradigter
Flußlauf, die sog. Neue Oder angelegt. Während des Siebenjährigen Krieges (1758) überquerte Friedrich der Große hier
mit seinen Truppen mit Hilfe einer Schiffsbrücke die Oder und konnte so den Sieg in der Schlacht bei Zorndorf erringen.
Auch im Zweiten Weltkrieg spielte sich hier ein Stück Geschichte ab und auch diesmal ging es um eine Pontonbrücke über die Oder,
welche durch polnische und sowjetische Pioniertruppen unter starkem deutschem Beschuß und damit verbundenen Verlusten errichtet wurde.
In der Ortsmitte kann ein weiteres Denkmal für polnische Pioniertruppen auf einem Berghügel und eines an dem in südlicher Richtung
Oder
verlaufenden Weg (sog. Todesweg) besichtigt werden. Der "Todesweg" mußte durch die angreifenden polnischen und sowjetischen Truppen überwunden werden,
um zur Oder zu gelangen. Da er unter dem fortwährenden Beschuß der deutschen Verteidiger lag, ist die Erde hier
seit dem 2. Weltkrieg förmlich mit Blut getränkt. Am Pionierdenkmal befindet sich ein weiteres kleines Militärmuseum, in
dem man Pontons und Pioniertechnik besichtigen kann, mit der die Oder überquert wurde.
Den Todesweg hinab und dann wieder rechts den steilen Berghang hinauf (empfiehlt sich nur für Leute, die gut zu Fuß
sind), führt ein Pfad zu einer Anhöhe, auf der die Trümmer eines Denkmals für Friedrich den Großen liegen, welches hier
1908 errichtet wurde, das aber leider im 1945 zerstört wurde.
Sehenswert ist auch die - heute katholische - Kirche im Dorf, sehr auffällig wegen ihrer bläulichen Farbgebung. Nahe der Kirche steht
ein Denkmal für den Güstebieser Lehnschulzen Falckenberg, das gleichzeitig eine deutsch-polnische Gedenktafel für die
Güstebieser Einwohner trägt, die infolge des Weltkrieges und der folgenden Ereignisse ums Leben kamen, eines der
seltenen Erinnerungsmale an die deutsche Geschichte der Region.
Gedenktafel an der Kirche
Zahlreiche Güstebieser
Einwohner kamen wegen des wie so oft im deutschen Osten viel zu spät erfolgten Evakuierungsbefehls 1945 zwischen die
Fronten des Krieges bzw. kamen während Flucht und Vertreibung über die Oder oder bei Kriegsverbrechen ums Leben.
Nach dem Krieg zogen hier wie in die anderen Dörfer, die wir bei unserer Fahrt passierten, vor allem polnische Vertriebene aus den
nunmehr zur Sowjetunion gehörenden Gebieten im polnischen Osten ein.
Die Autostraße zur Oder hinunter sind unsere letzten Meter bei diesem Ausflug auf polnischem Gebiet. An der Oder befindet
sich die neue Grenzabfertigungsstelle, die dank Polens Beitritt zum Schengener Abkommen ihren Sinn verloren hat und in
der sich jetzt eine Touristeninformationsstelle befindet (auch ein öffentliches WC). Rechts oberhalb gibt es einen kleinen
Imbiss, im Sommer mit Terasse.
Vor der Ausreise lohnt auch ein Blick zur Verkaufsstelle der
Imkerei Atroszko, welche hier hervorragenden Honig aus eigener Produktion
anbietet.
Fährschiff "Bez Granic"
Die Reise nach Deutschland ist angesichts des Verkehrsmittels eine Attraktion an sich. Wir überqueren die Oder mit der
Schaufelradfähre Bez Granic (Ohne Grenzen), die seit 2007 Deutschland und Polen hier verbindet. Die Fähre transportiert PKW, Kleinbusse und kleinere
Lastwagen bzw. Campingmobile in die auf der deutschen Oderseite liegende Gemeinde Güstebieser Loose. Die Fahrpreise sind überaus
günstig. Abfahrtszeiten und -preise bzw. der Status der Verbindung können auf der Gozdowicer Webseite
www.gozdowice.pl eingesehen werden.
Die Fährverbindung gab es bereits einmal bis zum zweiten Weltkrieg. In Güstebiese selber gab es
ein bekanntes Hotel namens "Deutsches Haus". Vor dem Krieg war die Schönheit der Landschaft hier bis Berlin berühmt und das gesamte Gebiet der Neumark wurde von
den Berlinern häufig für Ausflüge genutzt.
Wer noch nicht wieder zurück möchte oder kann (weil die Fähre z.B. wegen Hoch- oder Niedrigwassers der Oder oder aus technischen Gründen nicht
verkehrt), kann seine Fahrt anstelle über die Oder auch noch zu Lande über
Mieszkowice (Bärwalde/Nm.) z.B. in Richtung Grenzübergang fortsetzen.
F. Wassmuth, Berlin, 2008